Wenn der polnische Ministerpräsident Donald #Tusk auf dem EU-Gipfel heute meint: "Wir haben keine Alternative! Europa muss sich dieser Herausforderung, diesem Wettrüsten stellen. Ich bin mir sicher, dass Russland dieses Rennen verlieren wird!" kann ich ihn angesichts der Geschichte Polens verstehen. Gleichzeitig zeigt sich TINA (There is no alternative) leider oft als ein Bumerang für demokratische Gesellschaften, den mensch lieber nicht wirft[1].
Abgesehen davon, dass es natürlich immer eine Vielzahl von Alternativen gibt [2]. Es ist nur fraglich, ob mensch schon bereit ist, die zu sehen und zu debattieren.
Mir scheint, Europa hat sich durch seine extrem kurzsichtige Außenpolitik der letzten ~30 Jahre (den Amis bei allem Unfug außer Libyen blind hinterherrammeln) in eine schlimme Zwickmühle manövriert. Mit #Wettrüsten kommen die Menschen Europas da aber bestimmt nicht raus. Eine Alternative wäre z.B. global über eine Änderung der Spielregeln des von Jahr zu Jahr tödlicher tobenden Kapitalismus nachzudenken und zu streiten.
[1] Astrid Séville 2016 - From ‘one right way’ to ‘one ruinous way’? Discursive shifts in ‘There is no alternative’ European Political Science Review, Available on CJO 2016 doi:10.1017/S1755773916000035
[2] Senne Vandevelde - There Is No Alternative: A Discursive Analysis of Past and Present
@torsten_torsten Mag ja sein, aber woher kommen Handlungsalternativen in Richtung lebenswerte Zukunft wenn man die diskursiven Fehlern der Vergangenheit analysiert?
Das "hinterherrammeln" hinter den Amis ist vermutlich Geschichte. Gut so.
Linke Statements haben sich nicht geändert.
Glaubst du an einen Frieden mit Putin oder muss Putin verlieren? Oder was siehtst du hier für eine Alternative?
Statt Wandel durch Handel macht er Kriegsverbrechen. Das haben die Ukrainer gelernt.
@einfachnurRoland Ich wünschte, ich hätte Antworten auf Deine Fragen.
Allerdings ist "Putin muss verlieren" auch schon wieder TINA, was Denk-und Handlungsverbote für die eigene Position bedeutet. Sich selbst solche Verbote aufzuerlegen scheint doch aber mehr oder weniger selbstverletzendes Verhalten. Dieses Verhalten hat natürlich auch einen Zweck (d.h. ich halte es nicht für völlig absurd), aber zum Ziel, eines friedlichen, sozialen und gerechten Europas führt es m.E. eher nicht.
@torsten_torsten Wenn aus einem bunten Strauss an Möglichkeiten der Gegenüber alle elemeniert hat, außer die ungemütlichsten, ist das nicht TINA, sondern Realität. Die Aufrüstung ist in Deutschland ja nicht etwas, wo schon seit Dekaden eine eifrige Lobby hinter steht - im Gegensatz zu den USA oder zur Bürgergeld-Debatte.
Selbst nach der Krim-Invasion wurden noch riesige Gasspeicher an Gazprom verkauft.
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@torsten_torsten
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TINA kritisiert doch "alternativlose" Entscheidungen aufgrund von Ideologie. Merkel war TINA. Ihr unerschütterlicher Glaube, dass nur kleine Schritte funktionieren und große Pläne nicht umsetzbar oder ideologisch sind, ist doch eine der wesentlichen Ursachen, die Russlands Imperialismus haben erstarken lassen.
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@torsten_torsten
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Poppers Peacemeal und der darauf aufbauende Pragmatismus, den die deutsche Politik spätestens seit Schmidt befallen hat, ist die Ideologie, die unsere Perspektive weg von der Zukunft hin zur Bauchnabelschau der Gegenwart verengt hat.
Jetzt müssen wir uns neue Möglichkeiten erarbeiten. Wir müssen die Ukraine stützen, uns unangreifbar machen, die hybriden Gefahren zähmen und Putins Russland zum Einlenken zwingen.
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@torsten_torsten
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Wenn unsere Aufrüstung schneller und besser läuft, als die russische, wird es neue Möglichkeiten geben. Ein Waffenstillstand hilft Putin, nicht Europa! Und man muss sagen, dass da die europäischen und die ukrainischen Interessen vielleicht auch auseinander gehen.
Des Pudels Kern passt in einen Widerspruch: Frieden ist mit Russland nicht möglich. Ohne Russland gibt es keinen Frieden in Europa. Beide Sätze sind völlig richtig und schließen sich trotzdem aus.
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@torsten_torsten Es geht um's heute, nicht um's irgendwann.
Und welche Länder meinst du?
Bei #China und #Nordkorea würde es vielleicht noch passen, ist für mich aber kein passender Maßstab.
Ansonsten fallen mir noch #Weißrussland, #Georgien, #Armenien, #Serbien, #Syrien ein.
Und welche Länder meinst du?
Abgesehen von Ländern, die auch jetzt keinen Krieg mit Rußland führen (oder was ist die Definition von Frieden?) , denk ich vor allem an Europa zwischen 1986 und 2010. Ein viertel Jahrhundert vertaner Chancen, politischer Spielchen, ausgeschlagener Hände, und ja, Phantasielosigkeit. Ich möchte der NATO, Reagan und Bush dafür am liebsten auf den Kopf kacken, so sehr kotzt mich das an.
Ernsthafte Gespräche gab es lediglich zwischen 1986 und 1991 als klar war, dass der Westen die SU braucht und von ernsthaften Gesprächen profitieren könnte. Gorbatschow wird in Rußland bis heute dafür verachtet, dass er mit dem INF-Vertrag ab 1987 beim Abrüsten in Vorleistung ging und sich seit dem vom Westen hat über den Tisch ziehen lassen. Ob diese Einschätzung (dass die SU zu der Zeit ohne die Verhandlungen besser dran gewesen wäre) stimmt oder nicht, ist relativ egal. Putin hat diese Einschätzung genutzt, um Rußland aufzurüsten. Der Westen hat ihn trotz Putins eigener Warnungen machen lassen. Tja, da stehn wir nun heute. Wollte oder konnte wohl keiner drüber nachdenken, wohin das führen kann.
Phantasielosigkeit: bereits 1988 wurde Rußland als zu groß für das gemeinsame Haus Europa (eine Idee Gorbatschows) betrachtet. wissenschaft-und-frieden.de/ar…
Ich glaube, dass vergangenheitsorientierte Diskurstheorie die geopolitische Lage nicht verändert.
Ich stimme Dir bedingt zu. Vergangenheit kann nicht bestimmen, wohin es gehen soll. Sie kann aber ein bisschen Demut und Respekt bei der Gestaltung der Zukunft beisteuern.
@torsten_torsten Ich weiß nicht, wie hier eine Gesprächsnotiz aus der historischen Friedensforschung zu bewerten ist.
Die umfassendste Betrachtung der Rolle Gorbatschows innerhalb Russlands habe ich hier drin glaube ich gehört:
https://sicherheitspod.de/2024/01/31/folge-80-ist-die-nato-osterweiterung-schuld-an-russlands-krieg-gegen-die-ukraine/
Die Russen verbinden das Ende ihres Imperiums mit Gorbatschow. Das beinhaltet den Wunsch nach einem Imperium.
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@torsten_torsten
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Ich weiß noch ziemlich genau, wie erleichtert meine Mutter und Lehrer waren, als Jelzin wieder gewählt wurde und nicht Schirinowski, oder wie der Nationalist hieß.
Russland ist primär an sich selbst gescheitert. Kleptokratische Strukturen konnten sich direkt wieder durchsetzen, dazu kam die holländische Krankheit.
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@torsten_torsten
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Der Westen hätte ein paar Ungeschicklichkeiten weniger machen können, ich kann mir aber nicht vorstellen, dass irgendjemand außerhalb Russlands die Macht gehabt hätte, hier den Lauf der Geschichte klar zu verändern.
@einfachnurRoland Ja vor allem hätte der Westen sich selbst zu liebe mit Gorbatschow über Afghanistan reden können und später mit Putin über das Verhältnis Europa-Rußland. War beides nicht möglich. Hatten wir ja nicht nötig sowas, mit dem Kommunisten/Russen reden.
Deinen obigen Satz würde ich so umformulieren: Die Russen verbinden vor allem Demütigungen durch den Westen mit Gorbatschow. Das beinhaltet den Wunsch nach Anerkennung.